Okay… das ist ein reißerischer Titel. Was genau verbirgt sich wohl dahinter?! Da der Beitrag von mir kommt, und ich im Allgemeinen dafür bekannt bin, dass ich sowohl Flexi-Posen als auch Flexibility Training liebe und praktiziere, kann es nur schwerlich ein Beitrag gegen genau dieses Training sein, oder?
Tatsächlich verfolge ich mit diesem Beitrag eine ganz bestimmte Botschaft. Für diese muss ich allerdings etwas ausholen. Auf dem langen Weg, den ich im Bereich Flexibilität und Flexi-Training schon hinter mir habe, habe ich einige Fehler gemacht, die dazu geführt haben, dass ich nicht nur andauernd wieder zurück geworfen wurde, sondern auch ernsthafte Probleme mit meinem Körper hatte.
Als ich Ende 2013 mit Pole begann, hatte ich keine Vorkenntnisse oder war besonders beweglich – genügend Beweisbilder dazu gibt es zum Glück. Anfangs war meine Intention, beweglicher zu werden, gar nicht vorhanden. Viel mehr hatte ich mich auf meine ersten Schritte an der Pole konzentriert und so wurde erst Mitte 2014 Flexibilität langsam interessant für mich – als es an die ersten Split Tricks ging. Die Vorstellung, irgendwann in der Cobra mit meinem Zeh meinen Kopf berühren zu können fand ich großartig, genauso wie schöne Spagattricks umsetzen zu können. Das war mein Ziel und damit wäre ich dann auch vollkommen zufrieden – dachte ich!
Ich hatte ohne wirkliches Konzept begonnen zu Dehnen und bin dabei so vorgegangen, dass ich diverse Bilder und Videos genutzt habe, um meinen Zielen – Split und Foot to Head in der Cobra – näher zu kommen. In gewisser Weise hatte ich damit auch Erfolg, denn irgendwann hatte ich es geschafft, wenigstens Rechts, im Spagat zu sitzen und auch mein Backbend wurde zumindest passiv immer besser. Zugegebenermaßen hatte ich damals aber auch keine Ahnung, dass man zwischen aktiver und passiver Flexibilität unterscheidet. Allerdings traten vermehrt Probleme in meiner linken Hüfte auf, auch mein Rücken schmerzte immer wieder nach den Dehneinheiten und ich konnte dann tagelang nicht üben (und mich auch teilweise nicht schmerzfrei bewegen).
Zu diesem Zeitpunkt (es war Beginn 2016) begann ich mit einem Contortions-Coach zu arbeiten und war froh darüber, dass mir nun endlich ein passendes Konzept erklärt wird, mit dem ich schmerzfrei an meiner Flexibilität arbeiten könnte, ohne dabei meinen Körper Schritt für Schritt zu schädigen. Und natürlich erhoffte ich mir große Fortschritte. Ich möchte noch einmal betonen, dass ich auch zu diesem Zeitpunkt kein gesteigertes Know How zum Thema Flexibiltät hatte!
Ein Lendenwirbel hatte sich schmerzhaft entzündet
Das Konzept sah dann so aus, dass viel gedrückt, gezogen und gebogen wurde. Passiv war das Gebot der Stunde. Zudem wurde auch ausschließlich zu zweit gearbeitet, sodass ich zuhause wieder mit meinen alten Methoden dehnen musste. Nach dem zweiten (oder dritten?!) intensiven Wochenende war es dann soweit. Meine Hüfte machte solche Probleme, dass ich kaum noch richtig laufen konnte und ein Lendenwirbel hatte sich schmerzhaft entzündet. All das war der passiven Drückerei geschuldet. Das war mir im Nachhinein auch klar, aber jetzt war es zu spät. Nach einigen Besuchen bei diversen Orthopäden war dann die Lösung Cortison in meinen Wirbel zu spritzen. Mit einem entsetzten „Nein danke“ verließ ich die Praxis und mein Physio verordnete mir eine Auszeit. 3 Monate ohne Backbend und mit sehr wenig Splits gepaart mit einem entzündungshemmenden Schmerzmittel führten dazu, dass die Schmerzen gänzlich weg waren. Ein Glück. Es hätte auch ganz anders ausgehen können.
Ich ärgerte mich über mich selbst, da ich normalerweise alles hinterfrage. Genau in diesem Punkt verließ ich mich auf einen Profi und kam mit einem demolierten Körper aus dieser Erfahrung heraus
Langsam begann ich wieder mit dem Training und startete in Eigenregie mich mit Flexibilität auseinander zu setzen. Übungen die ich alleine durchführen kann, die nicht nur passiv sind. Denn was hatte ich in all den Jahren gelernt? Mein Backbend wurde besser aber ich konnte nicht einmal kontrolliert aus dem Stand in eine Bridge – auch ein aktiver Split war nicht möglich, obwohl mein Oversplit auf Blöcken beeindruckend war. Auch andere aktive Posen gingen nicht oder waren unendlich anstrengend und fast schon gefährlich. Ich hatte gelernt, mich in passive Posen zu drücken. So konnte ich, außer schöne Fotoposen, eigentlich nichts vorweisen. Ich wollte aber mehr, denn ich habe gemerkt, dass mein Körper im Stande ist mehr zu leisten.
Die richtige Atemtechnik und kontrollierte Bewegungen haben mir eine ganz neue Welt der Flexibilität eröffnet
Stück für Stück arbeitete ich mich mehr in die Themen Mobility und aktive Flexibilität ein. Außerdem wurde immer mehr klar, wie wichtig es ist, nicht nur ein gutes Warm up, sondern auch ein anständiges Cool down, gerade und vor allem nach Backbends, durchzuführen. Ich bekam nach dem Training Muskelkater an den richtigen Stellen, verstand mehr und mehr (und verstehe immer noch) welche Muskelpartien ich in welchem Moment aktivieren oder lösen muss. Meine Kraft in aktiven Posen ist viel besser geworden und es gruselt mich bei weitem nicht mehr – wie früher – mich in verschiedene Contortionsposen hineinzuarbeiten. Die richtige Atemtechnik und kontrollierte Bewegungen haben mir eine ganz neue Welt der Flexibilität eröffnet. Und das für mich wichtigste: ich habe keine Schmerzen mehr. Natürlich wird meine Hüfte immer ein bisschen empfindlich sein, aber ich habe nun seit Jahren keine ernsthaften Probleme mehr und fühle mich nach dem Training gut und nicht komplett zerstört.
Foto: Dieter Huemmer
Mein Fazit
Dein Körper braucht Zeit – kenne dein Limit! Versuche keine schwierigen (Contortions)Posen vor denen du Angst hast und für die dein Körper noch gar nicht bereit ist. Einfach „drauf los dehnen“ kann bis zu einem gewissen Punkt funktionieren, ab einem gewissen Punkt sollte man allerdings mit einer seriösen Person zusammen arbeiten! Die Mischung aus Mobilität, Stabilität, aktiver und passiver Flexibilität ist der Schlüssel für eine gesunde Beweglichkeit, vor allem wenn es in extremere Posen geht. Ihr solltet euch nicht wahllos irgendwo hineindrücken lassen und vor allem „Hört auf euren Körper”!
Respekt Caro , toll
Hey! Danke für den sehr aufschlussreichen Beitrag. Ich würde an der Stelle gerne nachhaken und fragen ob die Autorin sich nach der Verletzung z. B mehr auf den oberen und mittleren Rücken konzentriert hat (und Dehnung des unteren Rückens vermieden hat). Ich kenne zwar auch einige Kraftübungen für den Rücken, aber vielleicht kann man da nochmal etwas spezifischer eingehen. Vielen Dank und liebe Grüße 🙂
Es gibt keine “gesunde Beweglichkeit” in “immer extremeren Posen”. Es hat einen sehr guten Grund, dass sich die Gelenke gesunder Menschen nicht beliebig überstrecken lassen. Jeder, der gute Erfolge im Contortions-Training vorweisen kann, sollte sich mal auf Erkrankungen des Bindegewebes untersuchen lassen, z. B. Marfan, Ehlers-Danlos, Kollagenosen etc. Schon wenn man den Daumen so weit durch die Faust strecken kann, dass er auf der anderen Seite wieder rausragt, ist das ein Hinweis darauf, dass möglicherweise das Bindegewebe nicht korrekt aufgebaut wird und das kann Auswirkungen auf den ganzen Körper, inkl. Herz und andere Organe haben, denn Kollagen kommt im ganzen Körper vor.